März 2015: Blick aus meinem Fenster (Wien Favoriten) in Richtung Kagran. Foto: Rosemarie Philomena Sebek |
Zunächst wuchsen Hochhäuser hauptsächlich in Randgebieten
der Stadt aus dem Boden. Jetzt häufen sich die Betonklötze und nähern sich dem
Stadtkern. Als ich mich nach dem Nutzen der steinernen Ungeheuer in Wien
erkundigte, erklärte man mir, es sei effizient, so zu bauen. Außerdem sei das
besondere Flair einer modernen Großstadt auf eben solche Bauten zurückzuführen.
Ob damit der gegenwärtig in Wien herrschenden Not an leistbaren Wohnungen für
den Mittelstand Abhilfe geleistet werden kann, sei dahingestellt.
Auf mich wirken diese Beigaben zum angeblich
ganz besonderen Großstadtflair bedrohlich. Ich finde, dass Wolkenkratzer
überall auf der Welt gleich aussehen. Sie mögen sich durch unterschiedliche
Höhen und optischen Firlefanz unterscheiden, aber nicht in ihrer aggressiven
Ausstrahlung. Lauter überdimensionale erregierte Penisse aus Stein, Glas und
Metall. Zum Himmel schreiende Selbstverherrlichungen der Penisträger. Penetrant
und aufdringlich. Phallozentrik pur! Hurra, die Turmbauer zu Babel haben
gesiegt. Es ist ihnen gelungen, sich selbst zu vergöttlichen. Halleluja. Babel
ist überall.
Verzückung und Begeisterungstaumel. Die Natur
ist besiegt! Gott, Götter und Göttinnen sind besiegt! Ein Hoch der Ratio! Alles
im Weg Stehende wird hinweggefegt, umgestaltet, vernichtet! Berge werden
gesprengt, Flüsse umgeleitet, Wälder gerodet. Solange, bis nichts mehr im Weg
steht und sich der Kontrolle ratio- und umsatzgeiler Phallozentriker entzieht.
Wenngleich Götter und Göttinnen gestürzt wurden,
der dem abendländischen Mann innewohnende Glaube an die Kopfgeburt des
griechischen Göttervaters - dass also Athene, die Göttin der Weisheit,
mutterlos dem Haupt des Zeus entsprungen sei - hat überdauert. Hat sich fest
eingenistet im kollektiven Unterbewusstsein. Dürfte sich im Laufe von
Jahrtausenden zu einem wesentlichen Bestandteil männlicher Antriebskraft
gemausert haben.
Wie musste es anno dazumal auf die Athener
gewirkt haben, dass in der Orestie von Aischylos der Muttermord nicht als
Blutschuld gesühnt zu werden hatte. Umsonst wetterten die Erinnyen gegen den
Muttermörder Orest. Die junge Göttergeneration Apollon und
Athene entwarfen ein neues Mutterbild. Sprachgewaltiges Theater. Aufruhr,
Anklage und Verteidigung, Argumente und Gegenargumente. Schließlich der
entscheidende Spruch der Zeustochter, dem sich die Götter anschlossen, wonach
der Sohn nicht blutsverwandt mit seiner Mutter sei. Die Mutter sei nur
Pflegerin des in sie gesäten Keims. Es sei ausschließlich der männliche Same,
aus dem Leben hervorsprießt, wurde verkündet. Das Kind sei mit dem Vater, nicht
aber mit der Mutter blutsverwandt, daher bestünde bei Vatermord Blutschuld,
nicht aber bei der Ermordung der Mutter. Damit erfolgte ein Freispruch für
Orest, der aus Rache am Vatermord seine Mutter Klytämnestra erschlagen hatte.
Und ebenso wie in Aischylos’ Dichtung gilt im
Alten Testament die Frau bloß als Empfängerin der väterlichen Kraft. Das
heilige Bündnis hat Gott mit dem Mann – mit Abraham - geschlossen.
Ein sogenannter Männerbund. Gott sprach: „Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen meines Bundes zwischen mir und euch.“[2]
Phallozentrik in Reinkultur. Das Christentum und der Islam haben den Glauben an die Vorrangstellung des Mannes, an ein von Gott gewolltes Patriarchat übernommen, was auch der Überzeugung griechischer Philosophen entsprach. So behauptete Plato, Frauen hätten keine Seele und für Aristoteles waren Frauen unfruchtbare, also minderwertige Männer.
Ein sogenannter Männerbund. Gott sprach: „Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen meines Bundes zwischen mir und euch.“[2]
Phallozentrik in Reinkultur. Das Christentum und der Islam haben den Glauben an die Vorrangstellung des Mannes, an ein von Gott gewolltes Patriarchat übernommen, was auch der Überzeugung griechischer Philosophen entsprach. So behauptete Plato, Frauen hätten keine Seele und für Aristoteles waren Frauen unfruchtbare, also minderwertige Männer.
Weltweit, so scheint es, erhob sich in grauer
Vorzeit Männliches über das Weibliche, erregierte der Penis im Kampf um die
Vorherrschaft zu einer Waffe. Zu einer todbringenden Waffe. Mutierte zum
Donnerkeil, zum Schwert, später zum Gewehr, zur Kanone, Rakete und Bombe. Die
Krönung dieser Entwicklung ist zweifelsohne die Atombombe. Mit Little Boy, wie das über Hiroshima
abgeworfene Exemplar dieser Spezies von seinen Konstrukteuren liebevoll genannt
wurde, war es Männern gelungen, alle bis zu diesem Zeitpunkt erfolgten Geburten
in den Schatten zu stellen. Das Atomzeitalter hatte das Licht der Welt
erblickt.
Was ist nur aus Frauen und Männern geworden? Was
ist aus dem Menschen geworden? Was haben Menschen aus sich und aus der Welt
gemacht? Ein globales Dorf, in dem Raubritter wüten, sich nehmen, was ihnen
nicht zusteht! Wer hindert sie? Wer hat die Macht, ihnen Einhalt zu gebieten?
Vielleicht die fast eine Milliarde Hungernden? Oder die vielen Millionen Flüchtlinge?
Menschen, die auf der Suche nach einem Stück Heimat sind, wo sie menschenwürdig
überleben können? Sie suchen vergebens. Nirgendwo entgehen sie den
Machenschaften eingefleischter Phallozentriker. Deren Gier nach Geld und Macht.
Diese Macher verdienen gut sogar an den Ärmsten. Jede Krise ruft schneller als
Sie und ich denken können die Krisengewinner auf den Plan. Revolutionen, Kriege
und Missernten bringen ihre Kassen zum Klingeln. Natur- und Wirtschaftskatastrophen
sind für sie keineswegs Unglücksfälle. Im Gegenteil. Was kümmert es sie, wenn
Menschen dahinvegetieren oder verrecken. Ihnen geht es einzig um Kapital- und
Machtzuwachs. Damit hat es sich.
Sagen Sie nicht, das sei Ihnen neu. Sie wissen
recht gut darüber Bescheid. Sie wissen, wie mit den Ärmsten dieser Welt
umgesprungen wird. Ebenso ist Ihnen bekannt, dass es selbstlose Helfer gibt,
einsame Rufer in der Wüste, die von Kriegs- und Krisengewinnern einfach
überfahren werden. Und Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, ahnen, dass
Sie es dem Goodwill einiger Weniger ebenso wie nicht steuerbaren Geschehnissen
verdanken, wenn Sie noch nicht zu den Ärmsten zählen. Tun Sie nicht so, als
wüssten Sie das nicht …
[1]
Auszug aus „JE NACHDEM. Also spricht Penelope“ von Rosemarie Philomena Sebek, Wien 2015.
Auszug aus „JE NACHDEM. Also spricht Penelope“ von Rosemarie Philomena Sebek, Wien 2015.
[2]1. Moses
17, 10, 11