Bruder Esel lässt grüßen |
Wohl jeder hat
irgendeinmal irgendeine Geschichte von ihm gehört, vom zärtlichsten aller
Heiligen, vom Il Poverello, der mit den Tieren sprechen konnte und niemals in seinem
Minnedienst für die „heilige Dame Armut“
erlahmte. Er selbst bezeichnete sich als der „geringste“ unter den Minderbrüdern und Adolf Holl nennt ihn in der
Franziskus-Biographie „der letzte Christ“.
Über Zeit und Raum hinweg hat dieser Mann aus Assisi auch mich berührt. Einige
Male. Und das sehr nachhaltig. So auch mit seinem Gleichnis vom „Bruder Esel“.
Der Heilige Franziskus
bezeichnete seine körperliche Ausstattung als Bruder Esel. Das war nicht
abwertend gemeint, vielmehr wusste er, dass ihm mit seiner Körperlichkeit
jemand zur Verfügung stand, der ihn – damit meinte er seine Seele - durch das
Leben trug. Und Franziskus, der alle Lebewesen, die ja Geschöpfe Gottes sind,
liebte, empfand natürlich auch Liebe und Mitgefühl für seine Körperlichkeit,
für seinen Bruder Esel.
Nun hat jeder Mensch einen solchen Bruder Esel,
der ihn (seine Seele) durch das Leben trägt. Dieser Esel ist mit einem Körper
und mit einem sogenannten Eselsverstand ausgestattet.
Desgleichen hat er Eselsbedürfnisse
und Eselsgefühle.
Wenn wir auch nur halbwegs vernünftig sind, werden wir diesen Bruder Esel (oder diese Schwester Eselin) nicht vernachlässigen, sondern pflegen und gut behandeln, da es sich bei diesem Lasttier unserer Seele um ein Lebewesen handelt, das uns dienlich ist und der Fürsorge bedarf.
Wenn wir auch nur halbwegs vernünftig sind, werden wir diesen Bruder Esel (oder diese Schwester Eselin) nicht vernachlässigen, sondern pflegen und gut behandeln, da es sich bei diesem Lasttier unserer Seele um ein Lebewesen handelt, das uns dienlich ist und der Fürsorge bedarf.
Wir sollten
jedoch nicht dem Irrtum anheim fallen zu glauben, wir selbst seien der Esel,
was jedoch allzu oft, ja sogar meistens der Fall ist. Ehe wir bis drei zählen
können, ist es geschehen. Wir identifizieren uns dermaßen mit dem Esel, also mit
unserem Körper, seinen Gedanken, Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen, dass wir
über kurz oder lang davon überzeugt sind, derjenige zu sein, der uns ja nur
durch das Leben zu tragen hat. Und dementsprechend benehmen wir uns dann.
In diesem Sinn
drängt sich der Vergleich auf, dass die meisten der sogenannten normalen Gespräche unter Menschen, wozu
auch alle politischen Diskussionen und Verhandlungen zählen, mit Eselsverstand geführt werden und
vorwiegend um Eselsbedürfnisse kreisen.
Desgleichen werden menschliche Beziehungen zumeist von Eselsgefühlen bestimmt. Damit haben nicht nur wir, sondern auch
unsere geistigen Schutzwesenheiten ihre liebe Not. Wie sollen sie uns und
unsere Probleme ernst nehmen, wenn wir uns aufführen, als wären wir davon
überzeugt, Esel zu sein?
Vieles, das wir
vom Eselsstandpunkt aus betrachten und bewerten, kommt uns erstrebens- und
begehrenswert oder tragisch und ablehnenswert vor. Der Bruder Esel hat immer
Angst, er könnte zu kurz kommen, was auf uns abfärbt. Dann leiden wir. Das kann
sich schlagartig ändern, wenn wir aus dieser vermaledeiten Identifikation
aussteigen und uns zu einer objektiveren Sichtweise durchringen. Kabarettisten
sind gute Beobachter dieses Phänomens und verstehen es, ihr Publikum zu
unterhalten, indem sie die Eselsmentalität
der Menschen ins Visier nehmen.
Wie kommt es nur, dass wir uns dermaßen mit dem Bruder
Esel identifizieren? Dass wir ein Eselsdasein
für unser unabwendbares Geschick halten? Vielleicht lohnenswert, einmal etwas
gründlicher darüber nachzudenken.